Häufig werde ich an der Uni gefragt, ob ich nicht an irgendwelchen Umfragen mitmachen könnte. Meistens kommen Psychologiestudenten in der Mensa auf einen zu. Heute war es mal wieder soweit. Es erbot sich mir eine Online-Umfrage zum Verhältnis von mir zu meinen Eltern. Anstatt RCT3 zu spielen, habe ich mich also an die Umfrage gemacht. Allerdings hatte ich schon wieder so eine Vorahnung, dass die Fragen nicht für Physiker geeignet sind. Das war nämlich bislang bei absolut jeder Umfrage so, an der ich teilgenommen habe. Ihr werdet gleich sehen, was ich meine. Es handelt sich um diese Umfrage. Ich greife mal ein paar Fragen heraus:
Ich muss genau eine Antwortmöglichkeit wählen. Ich würde aber gerne zwei Antworten, nämlich „verheiratet“ und „mit Partner/in zusammen lebend“ auswählen, da beide richtig sind. Wofür soll ich mich nun entscheiden? Ich vermute, dass „verheiratet“ implizit unterstellt, dass man auch mit dem Ehepartner zusammen lebt. Das ist aber nicht immer richtig. Beispielsweise könnte ein Ehepartner für längere Zeit im Ausland sein. Ich musste nun raten, dass der Fragesteller ein „verheirtet“ tatsächlich implizit auch als „zusammenlebend“ wertet. Doch habe ich damit richtig geraten? Bei Umfragen, aus denen ein wissenschaftliches Ergebnis erarbeitet werden soll, wäre es gut wenn ich nicht raten müsste. Ich könnte natürlich im Feld „anderes“ hineinschreiben: „verheiratet und mit (Ehe-)Partner zusammenlebend“. Vielleicht hätte ich das tun sollen.
Nächste Frage:
Bei dieser Frage tat ich mich auch schwer, da ich mich nicht erinnern konnte, wann ich das letzte Mal ein emotionales Problem hatte. Und ohne Problem gibt es auch keine Unterstützung. Letzendlich fand ich ein Problem – das lag aber schon mehr als drei Jahe zurück. Soll ich jetzt „weniger als einmal im Jahr“ angeben, da ich Unterstützung das letzte Mal vor drei Jahren angefordert hatte? Oder soll ich den Wert angeben, den ich vermute, wenn ich mehr Probleme gehabt hätte? Ich vermute, dass ich so viel emotionale Unterstützung bekommen hätte, wie ich gebraucht hätte. Also irgendwas im Bereich „mehrmals in der Woche“. Ich habe dann geraten, dass der Fragesteller letzteres wissen will.
Weiter:
Hier wusste ich überhaupt nicht, was das soll. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal verletzt wurde, weder physisch noch psychisch. Ich bin als Kleinkind mal wegen Unachtsamkeit von der Wickelkomode gefallen. Aber sonst? Ich habe einfach mal „starke Ablehnung“ gewählt.
Die selben Fragen gab es dann auch bezüglich meines Vaters.
WTF? Habe ich was verpasst? Was hat er mir denn getan?
Was ist denn passiert?
Und nochmal:
Da kann ich mich nur wiederholen: Was hat er mir denn getan?? Mir blieb nichts übrig außer mit „starke Ablehnung (der Aussage)“ zu antworten. Man hätte diesen Fragen eine Frage voranstellen müssen, nämlich ob mir mein Vater überhaupt etwas getan hat. Aber so habe ich nur statistisches Rauschen erzeugt.
So in dem Stil gingen die Fragen weiter. Mir ist aufgefallen: wenn ich Probleme mit einer Umfrage habe, dann hatten auch alle anderen Physiker, die ich sonst so kenne, die selben Probleme. Also liebe Umfrage-Ersteller: denkt das nächste Mal auch an uns, wenn ihr euch eine Frage überlegt ;-)
12 Antworten auf „Korrekte Formulierung einer Frage“
Hausfrauen – also ich – haben mit solcher Art Fragen auch Probleme. Ich habe deswegen in den letzten Jahren mehrfach an Umfrageinstitute geschrieben, allerdings kein einziges Mal eine Antwort erhalten. Klar wurde mir dadurch nur eins: Was wir als statistische Ergebnisse hinnehmen (müssen), ist häufig durch solche Fragestellungen entstanden, also zumindest so nicht wirklich wahr, sondern durch eine vorgewählte Auswahl an Antworten erzwungen. Diese Umfragen werden von Firmen, Parteien usw bezahlt! Wenn die sich die Fragen angucken würden, würden sie vielleicht nicht so viel Geld dafür ausgeben, oder? Oder sie machen das absichtlich, um Zahlen zu generieren, die ihre bereits vorgefertigte Meinung/Absicht unterstützen :-(.
Das erinnert mich an eine Prüfungsfrage im Examen, die so ähnlich lautete: „Hat sich die Schulpädagogik verändert?“ Wie soll man auf so eine Frage eine dreistündige, qualifizierte Antwort geben, die noch dazu mit einer möglichst guten Note belohnt wird? Um der Frage die Unschärfe zu nehmen, sah ich mich gezwungen in meiner Einleitung darauf hinzuweisen und deswegen die Fragestellung so zu verändern, dass ich sie bearbeiten konnte. Ich grenzte zB den Vergleichszeitraum ein. (Veränderung der Schulpadagogik innerhalb des letzten Jahres, Jahrzehnts, Jahrhunderts???) Die Reaktion des Erstprüfers war… äääh… nicht schön. Er schrieb was von unnötigem Gelaber meinerseits… und gab mir eine 4! Der Zweitprüfer merkte dazu (schriftlich) an: Bei der unscharfen Fragestellung war es notwendig, die Frage umzuformulieren. …. und gab mir ne zwei!
Soijfz….
Zum Famielenstand:
Partner != Ehepartner. Daher – vermute ich – ist verheiratet die korrekte Antwort. Alternativ wäre sie unverheiratet mit einem Partner zusammenlebend.
Hm. Ich steig mal auf die emotionale Unterstützung Frage ein:
Emotionale Unterstützung – BEINHALTED – das Lösen von Problemen etc. Das ist aber nicht alles.
Emotionale Unterstützung kann auch ein „Ich hab Dich lieb“ oder „Mach’s gut Schatz“ oder ähnliches sein. Ich glaube, „Beinhalted“ ist hier das Schlüsselwort, da es nicht „ausschließlich“ das angegebene Beispiel beinhaltet.
Zu den „Wut“ Fragen –
Ich freue mich, wenn diese Fragen bei Dir nicht zutreffen. Damit gehörst Du jedoch wohl zu einer Minderheit. Die meisten Kinder/Jugendlichen/junge Erwachsene die ich kenne haben ein gestörtes Verhältnis zu mindestens einem Elternteil.
Und ich glaube genau darauf sollte eingegangen werden. Wenn es nicht zutrifft, trifft es eben nicht zu. So sind umfragen. Sie sind auf ein spezifisches Bild eingestellt und wollen das prüfen. Andere Kriterien sind wohl aus Sicht des Umfragestellers unwichtig.
Nachdem es eine Antwortmöglichkeit „getrennt lebend vom Ehemann“ gibt, beinhaltet „verheiratet“ wohl auch das Zusammenleben~
(wobei diese Ausdrucksweise auch wieder bescheuert ist, wenn der Ausfüllende nicht mit einem Mann sondern einer Frau verheiratet ist…)
Zum Rest sag ich jetz mal nix, muss gleich weg
@Addy: es steht im Titel der Frage: „Partnerschaftsstatus der Mutter“
@Topic: Umfragen werden gerne so gestellt, aber anscheinend finden nicht genug Leute sie seltsam, sonst würden sie ja irgendwann nicht mehr ausgefüllt.
Ich bin nur überrascht, wie schrecklich das Kinder-Eltern-Verhältnis in der Mehrheit der deutschen Familien sein muss… Ich muss bei dem Wortlaut der Frage eher nicht an „Er hat mir Hausarrest gegeben, als ich zu spät nach Hause gekommen bin“ denken, sondern eher an „Er schlägt mich mit einer Bratpfanne“. Und wenn es sich nicht auf die Mehrheit der Haushalte beziehen würde, wäre ja eine Extrafrage angebracht gewesen. Jetzt frage ich mich nur, wo das Jugendamt bei so einer Behandlung ist…
oh ok stimmt…. dann einfach alles nach dem ersten satz bei meinem comment ignorieren!
In der Aufgabenstellung steht doch eindeutig, dass man angeben soll, inwiefern man den Aussagen zustimmt. Wenn man sich sagt, dass der Inhalt der Aussage nicht gegeben ist, dann widerspricht man der Aussage also und kann das auch so ankreuzen. Gleichzeitig könnte man sich hypothetisch überlegen, wie man eben in einer suggerierten (und nicht zwangsläufig gegebenen) Situation handeln würde und dann dementsprechend antworten. Ist jetzt das Problem, dass eine solche Antwortmöglichkeit die Gründe außer acht lässt, warum -genau- man der Aussage nicht zustimmt, dass in einem wissenschaftlichen Raum mit Ungenauigkeit hantiert wird, oder warum stören wir uns daran? :)
(Wobei ich anmerken möchte, dass es bei der Psyche meiner Ansicht nach sowieso schwer ist, immer eindeutige Daten anzuwenden oder aufzustellen, weil Menschen ja einzigartig sind – und damit auch ihre Psyche. ^-^)
Worüber viele hier womöglich nicht ausreichend informiert sind ist die Absicht des Tests, nämlich das Sondieren der Kind-Eltern-Beziehung im internationalen Raum. Der selbe Test wird auch in anderen Ländern durchgeführt.
Daraus lässt sich schließen, dass hinter dem späteren Ergebnis des Tests ein gewisser Aufwand steckt. Umso bedauerlicher ist es, dass der Test eben so seltsam formuliert ist. Dass der Test als Zielgruppe „Kinder mit gestörtem Verhältnis zu mindestens einem Elternteil“ hat, bezweifle ich. Ich zum Beispiel kenne deutlich mehr Menschen mit intaktem Verhältnis, wenn man von Spannungen, die ich als normal, da bei zwischenmenschlichen Beziehungen immer vorkommend, einschätzen würde, absieht. Ich zumindest fände es etwas fragwürdig, bei einer Untersuchung der Beziehungen anzunehmen, dass mindestens eine Beziehung gestört.
In der Aufgabenstellung mag zwar eindeutig stehen, dass man angeben soll, ob man den Aussagen zustimmt. Das bedeutet aber noch lange nicht (was der Blogeintrag auch bestätigt), dass damit eine eindeutige Vorgehensweise beim Bearbeiten der Umfrage erklärt wird. Umfragen, die bei der Bearbeitung Raum für Interpretation lässt, verlieren meiner Meinung nach an Wert. Ich beispielsweise habe bei den Aussagen „neutral“ angekreuzt, was entweder (in meinen Augen) bedeuten kann, dass ich die Aussage auf kein Ereignis beziehen kann und damit keine Wertung durchführen kann, oder (in anderen Augen) dass ich ein emotionsloser Killer bin der objektiv abwägt ob Rache nun gerechtfertigt ist oder nicht.
Eryn, du sagst, dass man der Aussage widerspricht, wenn sie nicht gegeben ist und man sich hypothethisch überlegen kann, wie man handeln würde, wenn sie gegeben wäre. Das sind aber zwei signifikant unterschiedliche Dinge, und genau deswegen ist es schade, dass eine derartige Ungenauigkeit in Kauf genommen wird. Zwischen folgenden Dingen gibt es meiner Meinung nach einen krassen Unterschied, der sich auch in der Beziehung zu den Eltern wiederspiegelt und damit ein wichtiger Teil der Umfrage hätte sein können:
a, Meine Eltern tun mir Dinge an, aber ich bin nicht auf Rache aus. -> Starke Abneigung, Eventueller Fazit: Eltern und deren Entscheidungen/Aktionen werden nicht in Frage gestellt und einfach toleriert
b, Meine Eltern tun mir nichts, daher bin ich nicht auf Rache aus. -> Starke Abneigung nach deiner Argumentation, da nicht vorhanden. Fazit ist aber nicht, dass die Eltern und deren Entscheidungen nicht in Frage gestellt werden.
Genau dieser Punkt könnte nämlich eventuell ein Unterschied zwischen Teilnehmern in.. Deutschland und im Iran sein. Wird aber nicht berücksichtigt.
Wegen diesen starken Ungenauigkeiten (z.B., was ist denn „[..] was sie mir angetan hat?“ – Verprügelt? Mir kalten Tee serviert?) und weil die Fragen irgendwie zum Teil redundant sind finde ich die Umfrage nicht sehr gelungen.
Die zwei Gedankengang-Möglichkeiten sollten auch nicht im Zusammenhang stehen und mir ist bewusst, dass es zwei signifikant unterschiedliche Dinge sind. :)
Das Problem ist, das entnehme ich dem ganzen nun, also wirklich, dass die Fragen nicht alle Aspekte offensichtlich beachten, sondern suggerieren, dass sich der Proband schon etwas dabei denken wird – und dass genau diese Intepretation im wissenschaftlichen Raum bedauerlich ist. Hätte mir auch früher auffallen können. ^_^
..Nur stehen dann die Macher solcher Umfragen vermutlich vor dem Problem, dass zwar x(hoch x) Interpretationsmöglichkeiten einer Frage vorliegen, aber vermutlich kein Proband die Lust hätte, erst einmal einen sehr langen Text zu einer Frage zu lesen, bevor er sie beantwortet. Solche Tests müssen ja oft relativ „kurz und knapp“ gehalten werden, damit man möglichst viele Probanden davon überzeugen kann, 30 Minuten ihrer kostbaren Zeit zu opfern. Blöd nur, wenn dann ein Teil der Probanden am Ende erst recht denkt, dass das nun verschwendete Zeit war. ;)
Ach, ich habe nichts gegen lange Tests, wenn danach für einen Schokolade rausspringt!
Du liest ja auch schnell. ^_^ Aber nicht alle lassen sich mit Schokolade überreden. ._.
naja ein wichtiger satz in der umfrage, der in den comments noch nich beachtet wurde (wenn ichs nicht in diesen überlangen texten ohne schokolade am schluss übersehen habe) wäre:
Bitte bewerten sie die tatsächliche hilfe (…) beziehen sie sich bitte dabei nicht auf die hilfe die sie gerne geben oder erhalten würden.
d.h. wenn man eben ankreuzt „ich bekomme sehr viel emotionale unterstützung“ weil man davon ausgeht man würde sie auch bekommen, dann widerspricht das den intentionen der fragesteller. man sollte dort eben „ich bekomme keine/selten etc.“ ankreuzen.
und dabei spielt es meiner meinung nach keine rolle ob man diese antwortmöglichkeit wählt weil man entweder wirklich keine unterstützung bekommt, obwohl man welche benötigt, oder ob man keine bekommt weil sie nicht nötig ist.
welche dieser beiden intepretationen der frage dann in der auswertung der umfrage beschrieben wird liegt dann an der intelligenz des auswerters, aber im allgemeinen kann man sich schon darauf verlassen, dass diese nicht von primaten durchgeführt wird (zumindest an der uni). wenn mich die bild-zeitung um 30 minuten zeit für die umfrage bitten würde, würde ich allerdings auch meine zweifel bekommen, ob ich damit nicht für irgendeine form der meinungsbildung missbraucht werden sollte. dann würde ich aber auch einfach sagen nicht mit mir, nicht für sowas^^
um kritik in diesem punkt vorzubeugen: ich bin da recht vertrauensvoll in bezug auf die intepretationsfähigkeit der auswertenden weil ich in einem semester im kurs wissenschaftliches arbeiten den umgang mit dem statistikprogramm stata gelernt habe, wir hatten mit diversen bundestagswahlstudien gearbeitet die wirklich sehr sehr sehr ausführlich waren (unmengen an fragen, befragten, ausgewogene verteilung über ganz deutschland, ländlicher raum, städtischer raum, soziale schichten usw.). und man konnte schon mit ganz simplen korrelationsüberprüfungen erstaunliche verbindungen oder auch widersprüche aufdecken!
was ich damit sagen will: wenn du angst hast, dass du mit deinen antworten „unheil“ anrichtest (wie auch immer), dann mach sie einfach nicht ;). und bei umfragen von studenten, die daten für ihre doktorarbeit brauchen oder anderen vertrauenswürdigeren öffentlichen/juristischen personen, befolg einfach stur die anweisungen und überlass denen das intepretieren^^
@Gutgolf: Es hat doch nichts mit der Intelligenz oder dem evolutiven Stand des Auswerters zu tun. Es ist doch gerade das Problem, dass die Antwortmöglichkeiten in beide Richtungen gedeutet werden können. Entweder dem Fragesteller ist es egal, zu unterscheiden, ob jemand keine emotionale Hilfe erhält, weil er sie nicht benötigt oder weil er einfach keine von seinen Eltern erhält. Das käme mir aber sehr seltsam vor, weil es meiner Meinung nach dem Grundgedanken der Umfrage widerspricht. Im Zusammenhang mit Beziehungen zwischen einzelnen Familienmitgliedern besteht darin nämlich ein gewaltiger Unterschied.
Die andere Möglichkeit ist natürlich, dass es den Fragesteller eigentlich doch interessiert, ob Jugendliche in Deutschland emotionale Hilfe von ihren Eltern erhalten (was ich aufgrund der Fragestellung der Umfrage als sehr wahrscheinlich ansehe). Dann stellt sich aber folgendes Problem: In welchem Verhältnis wertet man die Antwortet als „braucht keine Hilfe“ gegenüber „erhält keine Hilfe“? 2:3? 1:5? Oder vielleicht ist alles Friede-Freude-Eierkuchen und es geht einfach allen Jugendlichen so gut, dass sie keine emotionalen Probleme haben. Wer weiß~