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Vom Erwachsen werden

Mit 18 hielt ich mich für sehr erwachsen. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich das Abitur geschafft hatte, zum ersten Mal zwei Monate lang 35+ Stunden in der Woche arbeitete und auch noch Geld dafür bekam – und natürlich daran, dass ich nach Neuseeland zog. Dabei hatte ich gerade erst ein paar Monate zuvor überlegt, dass die „Reifeprüfung“ prüft, ob man reif für das Leben ist und ich mir damals gar nicht so vorkam. Aber wenn man vor lauter Unsicherheit, ob man etwas packt oder nicht, es nicht einmal versucht, geht man nie los und kommt demnach auch nie irgendwo anders an als dort, wo man gerade ist.
Je länger ich in Neuseeland war, desto erwachsener fühlte ich mich. Ich hatte ein eigenes Auto, zahlte Miete, kochte gern einmal in der Woche in meiner WG (Kochen gehörte davor nie zu den Dingen, die ich gern gemacht hatte), erledigte brav alle mir zugeteilten Aufgaben im Haus und ging (als ich dann endlich einen Job hatte) arbeiten. Wuku! Und das Beste – ich durfte MEIN Auto von MEINEM Geld bezahlt tanken! Ohne dabei arm zu werden (den neuseeländischen Benzinpreisen sei dank.. ;_; )! Kurz: ich hatte mein Leben im Griff und konnte machen was ich wollte. Auch einen Japanisch- UND einen Mandarinkurs am Abend! Nichts konnte mich aufhalten! ;)
Und dann ging es zurück nach Deutschland. Fast schätze ich, es ist normal, dass man dann nach einer Weile wieder in alte Gewohnheiten zurückfällt. Ich koche zum Beispiel schon mal nicht mehr so gern. Ganz einfach, weil die Zutaten nicht parat stehen. Man müsste erst einkaufen gehen, und damit wäre das wieder viel zu viel Aufwand.
Wie auch immer .. wo war ich stehen geblieben… achja… erwachsen werden.
Zwei Dinge habe ich in Neuseeland gelernt: 1. Man darf das Leben nicht zu ernst nehmen. 2. Negative Dinge können einen nur negativ beeinflussen, wenn man sie lässt.

Leider ist das mit dem Lernen so eine Sache. Man ver-lernt nämlich auch gern. Und dann kann es sehr, sehr schwer sein, es neu zu lernen. Denn irgendetwas hat einen ja von dem „Gegenteil“ überzeugt. Und so habe ich irgendwann in den letzten zwei Jahren angefangen, das Leben wieder ernst zu nehmen. Aus Unverwundbarkeit wurde ständige Sorge. Was du jetzt machst, bestimmt dein ganzes Leben. Was du jetzt entscheidest, lässt sich niemals rückgängig machen. Erwachsen bin ich jetzt sowieso nicht mehr.

Aber! Was macht einen überhaupt erwachsen? Ist es das eigene Gefühl? Sind es Taten? Sind es Denkweisen? Oder ist es, ganz einfach, das Alter?
Vermutlich werden mir alle zustimmen, dass das Alter nicht erwachsen macht. Ein 32-jähriger –kann- genauso kindisch wie ein 6-jähriger sein. Ebenso wie ein 15-jähriger erwachsener als ein 25-jähriger sein –kann-. Das soll übrigens nicht bedeuten, dass alle 6-jährigen gleich kindisch sind. Außerdem steht hinter dem männlichen „jähriger“ in diesem Fall das, einer Auslassung zum Opfer gefallene, „Mensch“. :p
Es kann natürlich sein, dass sich eine Person aufgrund des eigenen Alters auf einmal denkt „Hey, nun bin ich erwachsen!“ und dann auch tatsächlich erwachsen handelt.
Ach – moment, da war ja noch die Frage, ob es Taten sind, die einen erwachsen sein lassen. Also? Ist man erwachsen, weil man arbeitet, sein eigenes Geld verdient und es dann auch wieder ausgibt? Oder ist man erwachsen, weil man Verantwortung übernimmt? Ist dann ein 10-jähriges Kind, das zugibt, etwas falsch gemacht zu haben und die Verantwortung dafür übernimmt erwachsen? Ist man erwachsen, weil man aufhört, sich ein Ziel zu setzen und anfängt, an dessen Erfüllung zu arbeiten? Ist man erwachsen, weil man sich auf einmal auf die Zukunft konzentriert und dabei die Gegenwart vergisst? Ist man erwachsen, weil man gelernt hat, dass das Leben wirklich hart sein kann und sich deswegen jegliche ‚kindische’ Freude untersagt?

Oder ist man erwachsen, weil man sich des Ernsts des Lebens bewusst ist, mit ihm lebt und sich dabei nicht von ihm unterkriegen lässt?

Zum Schluss noch ein Satz, der mir öfter mal durch den Kopf geistert:
Nur gefangene Vögel singen von Freiheit.

6 Antworten auf „Vom Erwachsen werden“

Vermutlich kann man nicht festlegen, ab wann jemand erwachsen ist. Erwachsen; was ist das überhaupt? Vielleicht ist man erwachsener, wenn man nicht versucht erwachsen zu sein, sondern sich selber treu bleibt, sich frei entwickelt und ungezwungen Erfahrungen sammelt.
Mir gefallen die letzten Absätze ^-^

Wenn du dich in Neuseeland (sorgen-)freier gefühlt hast, und in Deutschland Sorgen in gewisser Weise wiederkamen, frage ich mich, ob das nicht doch ein wenig mit der Umgebung zu tun hat… In Deutschland scheint es schon fast cool zu sein sich Sorgen zu machen, seine Karriere, sein Geld blablub. Vielleicht ist es in Neuseeland einfach ein anderes Lebensgefühl?

Und ich hab schon 38jährige erlebt, die sich sehr kindisch verhalten haben, aber aufgrund ihres Alters meinten sie hätten das Recht Jüngere unterzubuttern. Viele „altern“ einfach ab einem bestimmten Punkt nur noch ohne sich weiterzuentwickeln. Weil innere Weiterentwicklung immer mit Unsicherheiten in der Persönlichkeit verbunden ist, und das ist stressig ;)

@Nina: Anderes Lebensgefühl – definitiv. Finde ich. Das ist ja Ansichtssache. In Japan gibt es sicher auch ein anderes Lebensgefühl. ^^
Die Frage „Wer ist so entspannt, dass er, wäre er nur noch ein wenig entspannter, tot wäre?“ sagt aber schon etwas über Neuseeland aus, und ich habe sie bisher auch nur da bei einer öffentlichen Versammlung gehört. ;)

Ganz einfach, weil die Zutaten nicht parat stehen. Man müsste erst einkaufen gehen, und damit wäre das wieder viel zu viel Aufwand.

Kenne ich! :-)

Die Frage, ob jemand erwachsen ist, kann man aber erst beantworten, wenn jemand definiert, was das Adjektiv „erwachsen“ bedeutet. Sonst kannst du dir auch die Frage stellen, ob du mehkundraisch bist.

Aus irgendeinem Grund verbinde ich mit dem Wort „erwachsen“ etwas negatives. Vermutlich liegt das daran, dass es fast schon impliziert, einen finalen Zustand erreicht zu haben. Und mit einem finalen Zustand verbinde ich einen Mangel an Weiterentwicklung.

Aber das ist nur eine Interpretation der Bedeutung von „erwachsen“. Im echten Sprachgebrauch ist das Wort relativ schwammig. Ich mag lieber Ausdrücke, die klare Bedeutungen haben, wie „alt genug“ oder „vernünftig“. Über einen abstrakten Ausdruck wie „erwachsen“ würde ich mir keine Sorgen machen. Mir scheint es fast so, als fragst du in obigem Text „Wie lebt man am besten?“, nicht „Was bedeutet erwachsen?“. Und das ist keine leichte Frage. :)

Abgesehen davon wäre ich selbst gerne öfter kindischer. Ich vermisse das „LOL COOL, das machen wir!“. Das Leben als „Erwachsener“ hat manchmal zu viele Wenns und Abers. Oft habe ich das Gefühl, dass Hintergedanken mich mehr bremsen als vorwärts bringen. Im Endeffekt kann man zwar falsch liegen, wenn man eine Entscheidung trifft, aber wenn man sich nicht entscheidet, kann man gar nicht richtig liegen.

Zu dem Sprichwort am Ende schreibe ich jetzt einen extra-Blogeintrag. Ich liebe es jetzt schon. :D

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