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Objektorientiere Rechtswissenschaft

Gerade beim Joggen musste ich wieder an zwei Dinge denken:

  1. Ich gehe am liebsten in der Mitte von Wegen. Das gilt auch für Rolltreppen, aber dort überwiegt die Erziehung und ich stehe entweder rechts oder gehe links.
  2. Objektorientiertes Programmieren sollte fester Bestandteil eines Jurastudiums sein.

Der erste Punkt ist langweilig. Man kann ein bisschen über Individuen lästern, die einen 2m breiten Fußweg blockieren, weil sie gemütlich in der Mitte gehen und in deren Vorstellungskraft sich keine anderen von hinten kommenden Individuen befinden. Aber das war es auch schon.

Der zweite Punkt ist interessanter und etwas worüber ich schon früher schreiben wollte. Die meisten Menschen, die mit OOP vertraut und mir begegnet sind, haben mir hier zugestimmt. Dennoch fällt es mir schwer, die Begründung für den Punkt ordentlich in Worte zu fassen. Ich werde es versuchen und fange mit meinem Lieblingsbeispiel seit der 12. Klasse an: Absatz 1 und 2 im Paragraph §923 (BGB) regeln welcher Nachbar welche Rechte bei einem auf der Grundstücksgrenze stehendem Baum hat. Absatz 3 ergänzt:

(3) Diese Vorschriften gelten auch für einen auf der Grenze stehenden Strauch.

Sag bloß! Würde ein Informatiker die Gesetze schreiben, so würde er vielleicht statt der Klasse „Baum“ einfach ein Interface „alles-was-natürlich-gewachsen-ist“ angeben. Absatz 3 wird damit überflüssig und der Paragraph würde sogar für Grashalme und Blumen gelten.
Als die deutschen Gesetze (1949?) entworfen wurden, da gab es vermutlich kaum Programmierer mit deren Gedankengut. Deswegen will ich niemandem einen Vorwurf machen. Aber jetzt ist das Gedankengut in verstärktem Maße vorhanden und es vereinfacht viele Dinge. Daher meine Forderung: OOP muss eine Pflichtvorlesung für Jurastudenten werden, damit zukünftige Gesetze konsistenter sind!
Ich bringe noch ein Beispiel an, Paragraph §962 – Verfolgungsrecht des Eigentümers:

Der Eigentümer des Bienenschwarms darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. […]

Erstens: was ist mit Schmetterlingsschwärmen? Oder Käfern? Zweitens: Ich bin kein Experte, aber hat das Gesetz nicht einen Bug? Brauche ich mir also nur einen Bienenschwarm zu kaufen und dafür zu sorgen, dass dieser auszieht und über ein Grundstück fliegt, welches ich gerne betreten möchte? Legale Werksspionage! Oder was man sonst so auf fremden Grundstücken angucken möchte. Wobei ich meine mich zu erinnern, das es ein Gesetz gibt das in die Richtung geht, dass ein Recht nicht genutzt werden darf wenn es einzig mit dem Ziel in Anspruch genommen wird um jemand anderem Schaden zuzufügen. Vielleicht kann hier ein Experte Abhilfe schaffen? Kann ich mir einen Bienenschwarm kaufen und habe dann praktisch einen Freibrief fremde Grundstücke zu betreten?

Ich behaupte bei einem OO-Ansatz würden solche Fragen nicht aufkommen. Ich hoffe es fühlt sich niemand beleidigt weil ich das Bienengesetz ein bisschen sarkastisch angucke. Gesetze sind leider immer historisch bedingt und vermutlich sind alle unsere Blog-Leser jünger als die zitierten Gesetze.

9 Antworten auf „Objektorientiere Rechtswissenschaft“

xD an was du beim joggen alles denkst… Ich glaube, ich gehe auch meistens lieber in der Mitte, blicke allerdings regelmäßig nach hinten, um sicherzustellen, dass ich niemandem im Weg stehe, der z.b. mit dem Fahrrad oder einfach laufend an mir vorbei will.

Das mit dem Bienenschwarm wär ja cool.. dann muss ich mir wirklich einen anschaffen. Ich will ja niemandem schaden, ich bin ja nur neugierig…

Wir könnten auch einfach mal die Sammlung von Gesetzen durch eine Verfassung ersetzen.. aber das wäre ja genau so viel Arbeit, wie es oo zu schreiben… und in der Zeit kann man doch genau so gut einfach ein Paar neue Gesetze machen. Und deswegen wird sich wohl nichts ändern, ausser dass wir immer mehr Gesetze bekommen.

ich find solang es noch funktioniert, kann mans ruhig so lassen. btw das beispiel mit den bienen ist ein klassiker^^

Ich bin eher dafür, Leute, die mit OOP Rechte verteilen wollen, Jura studieren zu lassen. ^^ Andere Frage: Wie steuert man denn den Bienenschwarm dahin wo man ihn haben will? Nicht, dass ich die überkonkreten Gesetze verteidigen will, aber eine zu lose Formulierung ist auch schädlich, das artet dann genauso aus wie bei Patenten: Möglichst schwammig formulieren, dass man möglichst jeden auf Lizenzzahlung verklagen kann, der nur in der selben Branche tätig ist…

(btw muß man afaik auch zu interfaces ne abgeleitete klasse erstellen, bevor man sie instanzieren kann)

naja wenn ich rolltreppen fahre, stehe ich immer rechts, dass die leute vorbeilaufen können.

Als Linguist fühle ich mich dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass „alles-was-natürlich-gewachsen-ist“ viel mehr beinhaltet als nur Grünzeug. ;) Zumal noch zu klären wäre, ob ein Baum, der mit Absicht gepflanzt wurde, wirklich so natürlich gewachsen ist wie nun zum Beispiel ein Grashalm in der Savanne.
Hingegen sind Haare meist auch natürlich gewachsen. Oder Tiere.
Welches Recht hat denn welcher Nachbar, wenn nun ein Mensch auf der Grundstücksgrenze liegt?

Ich finde es immer komisch, wenn Leute rechtliche Sachen kritisieren, wo Juristen 8 oder mehr Semester studieren, um das sehr komplexe (Rechts)System, das sich über eine lange Zeit entwickelt hat und immer wieder auf die aktuellen Veränderungen der heutigen Zeit angepasst wird, einigermaßen zu verstehen.

Generell sind alle §§ so gefasst, dass sie möglichst viele Fälle regeln. Die beiden Beispiele (2 von 2385 im BGB) sind zwei sehr einfache §§ und deswegen oft angesprochen. Auch wenn sie scheinbar einfache Sachverhalte /Einzelfälle regeln, haben sie ihre Daseinsberechtigung im System des BGB (z.B. bei § 962 u.a.i.V.m.. §§ 229, 867, 1005, 904 S.2, Schadensersatz, Eigentums- und Selbsthilferechte).

Man darf Gesetze nie einzeln betrachten, sondern muss immer den Kontext sehen, warum und wofür sie gemacht wurden.
Und das Wortlautargument ist zwar sehr gewichtig, trotzdem argumentiert man als Jurist (egal ob Richter oder Anwalt), immer (!!!) mit dem gesunden Menschenverstand, der in den §§ oder Analog niedergelegt ist.

… mal ganz abgesehen davon, dass §§ 962 BGB nicht beinhaltet “Und darf sich dabei umschauen und alles erlangte Wissen kommerziell für sein Eigen erachten und nutzen” …

Die Erlaubnis einen Bienenschwarm zu verfolgen beinhaltet keinerlei weiteren Rechte. Der Paragraph erlaubt nur die Verfolgung des Bienenschwarms (zum Zwecke des Einfangens, voraussichtlich) und hat als Konsequenz, dass man einen “Bienenschwarmverfolger” nicht einfach vom Grundstück jagen darf, sondern ihm den Zutritt zu gewähren hat. Nicht mehr und nicht weniger.

OO Jura gibt es bereits und wird z.B. durch ITIL abgebildet, bei denen physikalischen Objekten Eigenschaften zugewiesen werden, genau wie an ihnen hängende Prozesse und die genauen Strukturen. Zu Problemen kommt es immer dann, wenn ein z.B. nach ITIL geregleter Prozess zu einem Objekt plötzlich einen Prozess über eine undefinierte Schnittstelle auslöst, wo der Rückgabewert und Weg nicht klar definiert ist oder nicht ITIL entspricht. … komisch, das ITIL gerade aus der IT kommt ;-)

Aber allgemein ist es doch ein sinnvoller Ansatz – aber wird der nicht auch schon verfolgt? Werden nicht im Grundgesetz dem Objekt „Mensch“ als erstes Eigenschaften und Funktionen zugewiesen? Berechtigungen erteilt?

§§1 GG: Die Würde des Menschen ist Unantastbar.?d.H. das Objekt „GG::Mensch“ besitzt die Eigenschaft „Würde“. Diese ist ein Static und kann nicht modifiziert werden.

§§1 BGB: Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.?d.H. das Objekt „BGB::Mensch“ besitzt die Eigenschaft „Rechtsfähigkeit“. Diese Eigenschaft ist veränderbar.?

§§2 BGB: Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.?d.H. das Objekt „BGB::Mensch“ hat eine Funktion “Volljährigkeit”. Diese hat eine Abhängigkeit zu seiner Eigenschaft „Alter“. Wenn Alter >=18 , so wird diese Eigenschaft wahr, ansonsten falsch.

Es gibt viele Beispiele dafür :-)

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