Vor ein paar Tagen erzählte mir meine Freundin, sie hätte sich mit einer Person unterhalten – in diesem Gespräch ging es wohl auch darum, was ich gerade so mache. Ich hätte gerade die Batterie beim Auto getauscht, wurde erzählt. Als Reaktion: Ist ja ganz schön oft was bei eurem Auto.
Ich will zunächst sagen: Dem Auto geht es gut!
Vor etwa 15 Jahren hatte ich ein altes Fahrrad mit 21 Gängen. Nach einem halben Jahr ging die Hälfte der Gänge nicht mehr richtig. Egal! Es fuhr noch. Weiter gings. Die Bremse bremste erst ab 70% Hebelweg? Naja, muss man halt ein bisschen weiter ziehen. Fuhr eh nur zur Schule und zurück.
Vor etwa 5 Jahren sagte mir mal jemand „An deinem Rad ist ja ganz schön oft was!“, wenn ich gerade wieder das Paket einer Bestellung für neue 3-Komponenten-Bremsbeläge entgegennahm.
Wenn man etwas alltäglich – nur zum Zwecke – benutzt, dann verzeiht man Suboptimalitäten eher und interessiert sich dafür auch nur, wenns wirklich brennt. Aktuell verliert die Düse unseres Gartenschlauch-Spritzdings seitlich Wasser. Darf es aber auch ruhig.
Wenn man sich aber in die Feinheiten eines Themas hereinliest, beginnt man (oder zumindest ich), auf Dinge zu achten. Ich will, dass es ideal funkioniert. Beim Rad bedeutet das: Jeder Gang muss sofort rein, die Bremse muss mich notfalls von 90 km/h zum Stehen bringen und jeder Tritt in die Pedale soll mich nach vorne katapultieren. Eine Abweichung bemerke ich sofort – und will ich sofort beheben. Ich habe ja mal das Optimum geschmeckt – und vielleicht gibt es sogar noch mehr! Deswegen probiere ich Dinge aus und optimiere auch Dinge, die anderen vielleicht gar nicht auffallen. Einfach, um für mich zu sondieren, ob mehr geht, mehr Effizienz, mehr Präzision – und auch, was man mal vernachlässigen darf und es ist nicht so schlimm. Und deswegen fahren manche ihre Kette 20 Jahre lang – geht doch noch – und ich bin bei Jahr 2 bei der dritten Kette vom unterschiedlichen Hersteller.
Man kann Wein ja auch als vergorenen Traubensaft oder aber rubinrotes flüssiges Gold betrachten.
Beim Auto handhabt es sich ebenso. Das ist aber nicht der alleinige Grund. Die meisten Leute bringen ihr Auto zur Inspektion, dort werden dann 10 Dinge erledigt, sie zahlen ihre 600 EUR und gehen nach Hause. Was für ein sorgloses Auto.
Bei mir produzieren diese 10 Dinge eben nicht nur 10 Videos, sondern werden je nach Priorität im Wochen- oder Monatstakt einzeln eingegangen. Muss mich ja zunächst informieren, auf was man achten muss, was für Werkzeuge und Teile man benötigt. Und manche Dinge würden andere Leute gar nicht machen lassen. Reparieren ja, aber optimieren – muss das sein? Fährt doch noch.
Aber ich will, dass es optimal fährt, lenkt, bremst und dabei minimal Sprit verbraucht.
Meinem Auto – keine Sorge – geht es gut und ich bin sehr zufrieden damit. :-)
3 Antworten auf „Optimieren vs Reparieren“
Hi Chikari,
das Thema kommt mir sehr bekannt vor. Mein Hobby besteht zu großen Teilen aus dem Optimieren meiner Kamera-Ausrüstung und Computerhardware. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen die Gründe dafür nicht nachvollziehen können. Insofern sind Sätze wie „Ein Stativ aus Karbon kann auch nur dastehen“ oder „Meine Kompaktkamera macht doch auch gute Fotos“ schon lange Standard. Wie Du ja schon sinngemäß geschrieben hast, muss man aber erst mal ein vertieftes Fachwissen haben, um die Qualität von Dingen beurteilen zu können. Wenn man ein Stativ nur am Merkmal „kann stehen“ beurteilt, erfüllen natürlich alle (Stative) diese Kriterien und sind daher für den Laien gleich gut.
Um nicht zu weit von deinem Artikel abzudriften: Die meisten Leute, die dein Hobby beurteilen, scheinen ein Auto nur am Kriterium „kann fahren“ zu beurteilen. Sobald jemand aber genauer hinsieht und beginnt, einzelne Komponenten zu untersuchen, wird er natürlich erkennen, dass diese ganz individuelle Zwecke erfüllen und dass das „Fahren“ eines Autos das Zusammenspiel von hunderten Einzelkomponenten ist, die einzeln aber optimiert werden können.
Um jetzt meinen Kommentar noch mit einem bösen Satz abzurunden :o) Ich hab bisher die Erfahrung gemacht, dass es total frustierend und nutzlos ist, mit Menschen zu diskutieren, die nicht selbst aus eigenen Hobbies das Gefühl kennen, nach dem Optimum streben zu wollen. Cheers ;o)
Ich finde, du fasst da einen interessanten Punkt sehr gut zusammen.
Wahrscheinlich muss man selbst mal ein facettenreiches Hobby gehabt haben, um zu verstehen, dass viele Bereiche im Leben – ggf nur für den Enthusiast sichtbar – recht tiefgründig sind.
Diese Erfahrung bewerte ich aber als sehr wertvoll. Letztendlich bin ich aber auch persönlich froh drum – fähig sein, Qualität wertschätzen zu können, bedeutet für mich schon eine Steigerung der Lebensqualität und ein bewussteres Leben. :D
Ich finde wieder den Likebutton nicht. Ersatzweise so: Daumen hoch!