Kategorien
Allgemeines

Peace of Mind

Gerade fuhr ich im öffentlichen Verkehr nach Hause. Wie es manchmal so ist, ging mir alles sehr auf die Nerven, und eine gewisse all-round-Verachtung machte sich breit. Dieser Zustand ist allerdings weniger stabil, als man zuerst denken mag.

Ich hatte gerade ein Gespräch darüber gehabt, dass ich mich um 500€ betrogen fühle. Das Ergebnis war in etwa, dass ich halt die lokalen Wurstblätter hätte lesen müssen, um die aktuelle Gesetzeslage zu kennen. Die „Vorlesung“, die ich hatte, wurde von einem didaktisch unfähigen gehalten und ich war daher praktisch umsonst in die Stadt gefahren. Ich überlegte gerade, wie ich mit den wenigsten Unannehmlichkeiten ein Bankkonto loswerde, dessen Bank sich letzten Monat entschieden hat, mir mit offensichtlich falscher Begründung irgendwelche völlig unangemessenen Gebühren abzuzocken. Da kam ich an einem „Kaufen auch Sie den 600 Hz Fernseher“ Plakat vorbei. Sicher nutzlich, während der Input mit Glück 50 Hz hat, Kinofilme 25 Hz, und gängige Interpolation etwa so viel Schaden wie Nutzen fabriziert. Da war mein Geist schon ziemlich nahe bei „unsere Gesellschaft kann mich mal“ angelangt.

Dann stiegen drei Mittelstufler-Mädchen in die S-Bahn. Ich nahm sie zuerst kaum wahr, denn ich hatte eh schon mein C#-Buch ausgepackt und war damit beschäftigt, meine Umgebung bestmöglich aus der Wahrnehmung zu streichen. Denn falls jemand den Mund aufmachen sollte, wäre eh nur die allgemeine Idiotie akustisch im Raum präsent. Das dachte ich jedenfalls. Aber dann begannen sie, sich in wunderbarem Deutsch über ihre aktuelle Schulausbildung zu unterhalten. Allein der Wortschatz war schon unvergleichbar höher als das, was ich gerade zuvor von wesentlich älteren Schülern zu hören bekommen hatte, aber auch inhaltlich war das Gespräch einfach nur angenehm anzuhören. Wenn eine Aussage fragwürdiger oder ungenauer Natur war, kam dies in Tonfall oder Wortwahl zum Tragen. Niemand redete pauschalisierenden Blödsinn oder verwendete unangebracht Schimpfwörter. Ihre Lautstärke war so gewählt, dass sie sich gegenseitig zwar gut verstehen konnten, die Mitfahrenden aber nicht ihr Gespräch aufgedrängt bekamen.

Klar, der Inhalt war für mich nichts weltbewegendes: der mehr oder minder uninteressante Schul-Lehrplan. Ich hörte trotzdem mehr ihrem Gespräch zu, als ich in meinem Buch las. Und als ich dann ankam, war ich viel ausgeglichener als vorher. Ich bin ihnen dankbar für den unbeabsichtigten Lichtblick im allgemeinen Stumpfsinn.

3 Antworten auf „Peace of Mind“

Nur doof, dass intelligent redende Mittelstufler so rar geworden sind. Ansonsten: Schiebs die allgemeine Genervtheit auf die allgemein herrschende Herbstmelancholie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert