Meine Meinung über die Grünen oszilliert in seltsamer, aber mittlerweile vorhersehbarer Weise. Ich diskutiere eine Weile über Politik und Parteien, und insbesondere, wenn Raoul dabei ist, erklärt dieser mir ab und zu einen relativ vernünftigen Standpunkt dieser Partei. Irgendwann zweifele ich dann an meinem bisherigen Urteil und beschäftige mich etwas mehr mit ihnen, woraufhin ich die weniger vernünftigen Stellen zu Gesicht bekomme und meine Meinung wieder in die Gegenrichtung korrigiert wird.
So ist es jetzt gerade wieder passiert. Ich bin auf ihre Webseite gegangen, habe ein paar Artikel aus meinem Interessensgebiet ausgewählt und prompt zwei Artikel bekommen, die ich im Folgenden etwas näher beleuchten möchte.
Ich beginne mal mit der leichteren Kost. Ich gehe nur sehr oberflächlich drüber, da ich diesen Artikel für relativ inhaltsleer halte. Umso erschreckender, dass er auf der offiziellen Seite einer Partei steht. Der Artikel besagt, dass die Energiekonzerne den Verbrauchern vorgaukeln, die Preise würden wegen der erneuerbaren Energien steigen, während das nicht der wahre Grund ist. Ob das im Kern wahr ist, sei dahingestellt, mir geht es um das verquere Bild, das im Artikel erzeugt wird.
Ich zitiere mal: „Zwar sind mit dem Anteil der erneuerbaren Energien auch die EEG-Mehrkosten in den vergangenen Jahren gestiegen, von 0,2 im Jahr 2000 auf heute knapp 1,2 Cent pro Kilowattstunde. Im gleichen Zeitraum stieg der Strompreis aber um durchschnittlich 9,3 Cent pro Kilowattstunde. Nur etwa 10 Prozent der Preissteigerungen der letzten Jahre lassen sich also auf den Ökostrom-Boom zurückführen.“
Wenn ich so etwas lese, bin ich völlig irritiert. Hier erstmal die Strompreise laut Eurostat:
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tsier040&plugin=1
Das erste, was mit auffällt: 2000 scheint ein lokales Minimum der Strompreise zu sein. Klar, wieso dieses Jahr als Beginn des Zeitraums gewählt wurde. Aber wo kommen die 9.3 Cent Steigerung her? Ich verstehe es nicht. Einzig weiß ich, dass eine Inflationskorrektur großräumig umgangen wird oder magisch hinter den Kulissen eingefügt wurde — vielleicht erklären sich so ja auch irgendwie die anderen Zahlen. Dann werden die Energieversorger als großes böses Kartell dargestellt, die Schuld an der aktuellen arglistigen Täuschung haben. Eine politische Analyse, ob es sich um Kartellbildung handelt, eigentlich alle wichtigen Fragen werden liegengelassen. Wer nun wirklich was behauptet hat, sehe ich auch nicht. Wenn man die Steigerung des Strompreises analysieren will, dann tut man das objektiv, sauber und mit Quellenangaben. Wenn man jemanden einer falschen Aussage beschuldigt, sollte man hinzufügen, von wem man redet. „Die Energieversorger“ als Feindbild, ich dachte, so etwas setzt man nur noch wähler der „Linken“ vor.
Ja, der Artikel ist ziemlich hohl und unverständlich, und von daher auch nicht wirklich gefährlich. Aber wer so etwas auf seiner Webseite veröffentlicht, kann einfach nicth erwarten, von mir ernst genommen zu werden.
Kommen wir also zum größeren Kaliber: Har(t)z V.
Hier ist der eigentlich aussagekräftige Artikel. Nach kurzem Nachdenken taufe ich den Grünen Vorschlag Hartz 5, oder auch Harz 5, weil das Ergebnis in seiner Flexibilität ein Wenig an Insekten in Baumharz erinnert. Im neuen System werden gleich Ansätze für eine Bürokratisierung geschaffen, die dem aktuellen Chaos eine würdige Konkurrenz bietet.
Aber betrachten wir den Artikel einmal der Reihe nach. Es geht um einen Vorschlag der Grünen, der als Konkurrenz zum FDP-Bürgergeld gedacht ist. Der Beginn ist gleich ganz spektakuläre Kritik an der FDP: „Was sich erst vereinfachend und unbürokratisch anhört, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als gefährliche Gleichmacherei.“ No shit, Sherlock! Wenn wir die Bürokratie unüberschaubarer Spezialfälle entfernen, werden die Menschen eher gleich als unterschiedlich behandelt. Gut, dass ihr das bemerkt habt. Aber von der Ausdrucksweise her erscheint es so, als würde sich das system nur „erst“ „vereinfachend und unbürokratisch“ anhören, und bei genauerer Betrachtung nicht mehr. Dem ist aber nicht so. Die Deutsche Sprache wurde einmal mehr erfolgreich missbraucht.
Dann folgt ein langer Text, in dem man irgendwelche Spezialfälle aufzählt, die aus nicht genannten Gründen mehr oder Weniger Geld bekommen sollen als andere. Da stellen sich mir sofort zwei Fragen. Erstens, wird das System dadurch gerechter? Oder endet das nicht wieder in unverständlichen Entscheidungen seitens der Verwaltung, die nur alles undurchsichtig machen, aber in Wirklichkeit nicht fairer? Und zweitens: vertilgt die entstehende Bürokratie nicht bereits so viel Geld, dass man lieber die Menge des Bürgergeldes erhöhen sollte, statt das Geld in reiner Verwaltungsarbeit zu verbrennen? Ich denke, wir wissen aus Erfahrung mit den bisherigen Modellen, wie diese Fragen beantwortet werden.
Dann folgt eine Predigt für den Mindestlohn. Was ein Mindestlohn für diejenigen bedeutet, die die nötige Arbeit nicht erbringen können, ist hoffentlich allseits bekannt: Arbeitslosigkeit. Die Grünen sagen 7,50€ pro Stunde ist Minimum, wer also nur für 7€ pro Stunde erbringen kann, fliegt. Dann kommt das Wort „Lohndumping“, als wäre es eine Selbstverständlchkeit, dass diese Problematik für Mindestlöhne spricht. Dabei wurde dieser Zusammenhang schon zur Genüge analysiert: Lohndumping beschreibt kurzzeitig fallende Löhne bei Liberalisierung eines Arbeitsmarktes, der ein extremes Unterangebot an Arbeitsplätzen hat oder aus sonstigen Gründen die Flexibilität bisher nicht geboten hat, um einen Konkurrenzkampf um Arbeitnehmer zu ermöglichen. Dass diese Unflexibilität in Deutschland existiert und staatsverschuldet ist, ist eine traurige Wahrheit, die wir gerne separat diskutieren können. Es ist aber eine Wahrheit. Und somit impliziert der Artikel, dass die Grünen keinerlei Absicht haben, den Arbeitsmarkt wieder auszugleichen. Sie erhalten lieber die aktuelle Situation durch schädliche Zusatzregelungen.
Der nächste Absatz beschuldigt die FDP der „Beschäftigung zu Dumpinglöhnen, ohne soziale Sicherung aber mit staatlicher Subventionierung.“, komplett mit Beschimpfung dafür, dass die FDP von auf Staatskosten lebenden Menschen eine gewisse Arbeitsbereitschaft verlangt. Hier zeigt der Autor nur, dass er weder verstanden hat, wie Dumpinglöhne zustande kommen, noch, wie Subventionierung definiert ist. Dafür ist er nicht mundfaul, wenn es um wildes Herumschimpfen geht.
Es folgt eine übersichtliche Zusammenfassung, gesalzen mit ein paar Extras. Har(t)z V zahlt mehr als die FDP, mal abgesehen von den noch höheren Kosten durch die Bürokratie. Es „berücksichtigt regionale unterschiedliche Mietniveaus“. Abgesehen davon, dass es lieber die Grammatik berücksichtigen sollte: jetzt fordern sie sogar kontraproduktive Bürokratie! Extra, damit Menschen sich nicht günstigere Wohngegenden suchen, wird eine Staatliche Verwaltung zur Chaotisierung der Wohnraumverteilung eingerichtet! Ich wüssste gerne einmal, wie man so etwas begründet.
Hartz IV wird im Vorschlag nicht sofort ersetzt, sondern man erhöht vorerst die ausgezahlten Geldmengen. Das wird nicht weiter erläutert. Dafür kommt die wunderbar linksradikale Lösung für nicht arbeitswillige Menschen: „Motivierung, Hilfe und Anerkennung“. Hach, ist das nicht herzallerliebst? Funktioniert aber leider bekanntermaßen nicht. Und dann wollen sie mehr Geld für Familien mit Kindern.
Gerade an dieser Stelle möchte ich dringend darauf hinweisen, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Mindestlöhne, Kindergeld, das klingt ja alles ganz toll, ist aber noch mehr Nationalismus und Protektionismus als ohnehin schon betrieben wird. Die Welt hat Überbevölkerung und es verhungern Menschen, weil ihnen keine Arbeit angeboten oder auch nur erlaubt wird. Die wollen das Wirtschaftswachstum anknabbern, weil einem Arbeitsunwilligen die Kürzung seines Geldgeschenkes von regelmäßig hunderten Euros nicht schmeckt? Das ist global gesehen dermaßen pervers, mir fehlen die Worte! Unser Staat ist fürchterlich verschuldet, es gab gerade eine Weltfinanzkrise und qualifizierte Arbeitskräfte verlassen das Land! Die Politik gräbt sich gerade selbst das Wasser ab! Werden hier nicht völlig falsche Prioritäten gesetzt?
Mal ohne Political-Correctness-Filter: haben die noch alle Tassen im Schrank?