Es gibt alle möglichen Arten von Überraschungen. Die „Guten“, bei denen man sich freut, aber auch „schlechte“, die man besser nie erlebt hätte. Und dann gibt es noch die wirklich überraschenden. Das ist die Sorte, von der man niemals auch nur im Entferntesten gedacht hätte, dass sie jemals eintreten könnten und von denen man nicht genau weiß, wie man sie einordnen kann. Dafür sind sie auch mit Abstand die seltensten, aber auch die, an die man sich am längsten erinnert. Aber dazu später mehr, erst mal eine kleine Vorgeschichte:
Unsere Geschichte spielt in einem Gymnasium in Bayern, genauer gesagt im Deutschunterricht selbiger Institution. Unser Protagonist Michi (genau, das bin ich!) hatte soeben seine Klausur von seiner Lehrerin erhalten und war auch gewillt, diese ohne jegliche Aufforderung wieder an selbige auszuhändigen. Dies tat er auch einige Tage später, zusammen mit ein paar anderen Schülern.
– Kapitel 2 –
Wir treffen Michi? eine Woche später (vor zwei Wochen in unserer Zeitrechnung) wieder in besagten Deutschunterricht bei eben jener Lehrerin, die soeben dabei ist, die noch fehlenden Klausuren einzufordern, inklusive der von Michi.
Dem aufmerksamen Leser mag ein Fehler in diesem Gebilde aufgefallen sein. Ja, ich hatte meine Klausur bereits abgegeben, als meine Lehrerin eben diese einforderte.
Nun steht unser Held vor einer folgenschweren Entscheidung. Soll er sich in sein Schicksal als klausurraubender Querulant fügen und einfach einen Zettel anfertigen, der den Erhalt der Klausur bestätigt, oder soll er sich auf einelange, blutige (metaphorisch gesehen) Schlacht der Worte und Elternbesuche einlassen, die damit endet, dass seine Deutschlehrerin? letztendlich ein noch schlechteres Bild (wenn möglich!) von ihm erhält…
Am Ende? fällt Michi folgende Entscheidung: Er fügt sich.
– Kapitel 3 –
Heute. Die Deutschstunde beginnt etwas anders als erwartet. Mit einem Vortrag über Eindrücke und Machtverhältnisse und darüber, wann man seine Fehler zugeben sollte. Das Ende dieses Vortrages war eine wie bereits zu Anfang erwähnte gute Überraschung: Die Deutschlehrerin hat in den Untiefen ihrer Unterlagen eben jene Klausur fragwürdigen Aufenthaltsorts unseres geplagten Helden wiedergefunden. Wie es für eine Person mit ansatzweißem sozialen Verhalten üblich ist, entschuldigt sichdie Deutschlehrerin für den entstandenen Ärger und erklärt völlig schlüssig, dass aufgrund der schieren Masse an Dokumenten, die sie von ihren Schülern erhält ein Überblick so gut wie unmöglich ist.
Doch dann holt sie etwas heraus und übergibt es an unserem zu Unrecht beschuldigten Helden. Ein kleines, in rotes Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen. Inhalt: Ein Buch, sowie eine Entschuldigungskarte.
Und da wäre auch die Überraschung der dritten Art, von der ich am Anfang ebenfalls berichtet habe. Denn so einfach es auch wäre dies einfach als eine„gute“ Überraschung zu klassifizieren, schließlich ist es ja immer schön etwas geschenkt zu bekommen, bleibt doch ein gewisser bitterer Nachgeschmack.
Denn die Moral von unserer kleinen Geschichte ist folgende:
Wer schön den Mund hält und die Schuld auf sich nimmt, dem wird letztendlich Gutes wiederfahren.
Und genau da sehe ich das Problem. Nicht nur, das solches Verhalten für die meisten Respektspersonen im allgemeinen eher untypisch ist, (Fehler zugeben wird oft als Schwäche angesehen, was eine Untergrabung der Autorität bedeutet) es war auch reiner Zufall, dass ich in diesem Fall davon abgesehen habe, mein Recht einzufordern. Normalerweise hätte ich mich nicht klein kriegen lassen und wäre nicht von meiner, richtigen, Seite der Geschichte abgewichen…
Jetzt ist die Frage, ob man dieses Ereignis als Einzelfall außerhalb der Regelung ad acta legen sollte, oder es doch eher als allgemeingültige Parabel anzusehen ist. In letzterem Fall wäre ich gezwungen, nicht nur diese Verhaltensweise zu ändern, sondern auch das restliche Konzept meines Umgangs mit anderen Personen zu überdenken.
Und genauaus diesem Grund ist ein Geschenk zu erhalten eben doch keine ausschließlich „gute“ Überraschung.
9 Antworten auf „Überraschungen“
Naja, da jeder Mensch individuell ist, würde ich mich hüten, das als eine allgemein gültige Parabel einzustufen. Ich kenne zum Beispiel einen Lehrer, der es wahrscheinlich nicht zugegeben hätte, einfach weil unser Verhältnis Klasse – Lehrer so schlecht war. Und ein anderer hätte es zwar nicht geleugnet, es aber nur bissig – ironisch garniert zugegeben, weil er so eine Mischung aus Wortakrobat und Labertasche ist. Aber das sind natürlich nur Hypothesen.
War es wenigstens ein gutes Buch? ;)
Es geht weniger darum, dieses Beispiel zu verallgemeinern, als um die Aussage die daraus resultiert und die mir nicht passt: Immer mit dem Strom schwimmen macht alles besser.
was war es denn für ein buch? o.o ich find der fall passt eher unter „äußerst unerwartet überraschung“ @_@
Hmmm, mir fehlt in der geschichte ein sehr entscheidender teil: Was hat denn die lehrerin in kapitel 2 gesagt als du meintest, du hast die schulaufgabe bereits abgegeben?
ansonsten finde ich aber bisher beides verhalten sehr gut, sowohl deins (diesen zettel zu unterschreiben um unnötigen aufwand zu vermeiden) und das von der lehrerin sowieso (das finde ich absolut traumhaft)…
übrigens bedeutet dieser zettel ja nicht, dass du zugibst, dass du die schulaufgabe verloren hast, sondern der zettel sagt nur aus, dass du die note bestätigst und zur kenntnis nimmst, auch wenn das beweisende dokument *warumauchimmer* nicht mehr existiert. bei uns mußte einmal die ganze klasse so ein teil unterschreiben weil die lehrerin die komplette arbeit verloren hatte. (bzw sie entwendet wurde, wie sich dann herausgestellt hat)
im allgemeinen bin ich eher der ansicht, dass, wenn es keine weiteren schädlichen konsequenzen hat, es weder notwendig noch immer richtig ist, auf seinem recht und den damit verbundenen folgen zu beharren, wenn es auch einfachere (unbürokratischere, schnellere, zeit- und nervensparendere) lösungen zur auswahl gibt. nur um des rechts willen auf seinem recht beharren ist in manchen fällen egoistisch, es ist immer eine abwägung aller interessen und folgen notwendig.
in diesem fall war eine leichte schädliche konsequenz, dass du unter umständen als „schulaufgabenverschlamper“ abgestempelt wurdest (ob das schlimm ist oder nicht, sei dahingestellt, auf jeden fall ist es unwahr und damit zu vermeiden), aber ich finde, dass die lehrerin sowohl dich als auch sich selber mit ihrem verhalten mehr als rehabilitiert hat! noch dazu öffentlich!
da es sowohl dir anzurechnen ist, dass du das „problem“ unter einem leichten selbstopfer beseitigen wolltest, als auch der lehrerin, dass sie das und ihren fehler erkannt und vorbildlich reagiert hat (und sogar noch diese art sich zu verhalten der klasse weitergegeben hat!) finde ich, das unterm strich sich keiner hätte anders verhalten müssen, und die summe der moral auf der welt angewachsen ist.
den fahlen beigeschmack kann ich nicht nachvollziehen, ich finds super wie das gelaufen ist. an allen protagonisten kann man sich ein vorbild nehmen.
tolles ergebnis, eine schöne geschichte, was will man mehr? :-)
achja, was wars für ein buch? XD
Auch ich finde, dass man hier nicht von „mit dem Strom schwimmen“ sprechen kann. Es sei denn, du definierst „mit dem Strom schwimmen“ als „gegen alles ankämpfen, ohne zu überlegen was es ist“. Nur weil jeder Meloneneis magst, darf man es als Anti-Stromschwimmer nicht mögen?
Die von dir gewählte Option war im Bezug auf Krisenprävention die Beste. Von daher ist die Moral der Geschichte nicht „Wer schön den Mund hält und die Schuld auf sich nimmt, dem wird letztendlich Gutes wiederfahren.“, sondern: Wer Krieg vermeidet, der gewinnt.
Das Buch heißt: „Salmon fishing in the Yemen“, ein englisches Buch. Sie hatte mich in der Stunde vor der in Kapitel 3 noch gefragt, was ich so lese.
Hey das is n geniales Buch, nach dem was ich gehört hab, soll ne total abgedrehte story haben. also die hat geschmack, deine lehrerin^^
Stehst du jetzt unter psychischem Druck, dass du das Buch lesen musst weil dich deine Lehrerin demnächst fragen könnte, wie du es findest?
http://www.salmonfishingintheyemen.co.uk/