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Turnierqualität von Spielen

Nach einer längeren Diskussion mit finster gestern bin ich wieder einmal auf diesem Thema gelandet: was macht es eigentlich aus, dass manche Spiele „hart auf hart“ gegeneinander gespielt werden, wie zB auf Turnieren, während andere selbst beim Gegeneinanderspielen eine geradezu entspannende Atmosphäre liefern?

Das Thema beschäftigt mich seit langer Zeit, sogar in dem Maße, dass ich es sicherlich als einen der Gründe nennen würde, wieso ich ich mich für Design und Programmierung von Spielen interessiere. Ich sortiere mal im Geiste Spiele nach einer nicht näher definierten „Turnier-Eigenschaft“: dann würde ganz oben Go stehen, ziemlich weit oben StarCraft, danach zB GWED und C&C Renegade, in der Mitte viele Aufbauspiele mit Konkurrenzelementen (Anno, Siedler), ziemlich weit unten Spiele wie Clonk und Magic: The Gathering, und zum Schluss Spiele wie Mensch Ärgere Dich Nicht oder die meisten zufalls- oder chaosdominierten Brettspiele.

Die Frage ist: nach was habe ich jetzt eigentlich sortiert? Scheinbar nach einem Produkt aus Komplexität und Zufallsfaktor, aber das kann nicht alles sein. Bisher ging ich davon aus, dass die Turnierfähigkeit sich aus der Qualität des Spieldesigns ergibt, bei dem ein einzelner Fehler den tatsächlichen Spielablauf fatal verändern kann. In der gestrigen Diskussion wurde diese Begründung stark angegriffen, und nicht ganz zu Unrecht: Clonk wird manchmal im Turnierstil gegeneinander gespielt, und nach etwas Nachdenken fällt mit MTG sogar ein noch krasseres Beispiel auf.

Ich habe seitdem darüber nachgedacht und etwas herumgefragt, und es scheint, als ob es für viele Menschen bestimmte Kriterien gibt, die Spiele geeigneter oder ungeeigneter für Turniere machen.

Hier einige Eigenschaften, die ein Spiel scheinbar interessanter für Turnierartige Kämpfe machen

  • Feste Spielregeln: das Spiel mit seinen Regeln unterliegt nicht ständigen unvorhersehbaren Änderungen
  • Ausreichend viel Determinismus: das Spielergebnis wird nicht zu stark vom Zufall beeinflusst
  • Genügend Komplexität im resultierenden Spiel, um jedes Spiel einzigartig zu machen
  • Viel Interaktion zwischen den Kontrahenten: die Spieler verbringen ihre Zeit hauptsächlich damit, ihre Aktionen an die des Gegners anzupassen, nicht damit, generelle Eigenschaften und Anforderungen des Spiels zu erfüllen
  • Keine Beschränkung auf stures Trainieren/Lernen: Intelligenz, Talent und Flexibilität sind wichtig, im Gegensatz zu Wissen, Erfahrung und Spielzeit, die bei Spielen mit „extensiver“ Komplexität Stärke ausmachen. Insbesondere ist das Wissen, das man sich aneignet, in Turnierspielen von eher abstrakter als konkreter Natur.
  • keine Asymmetrie: Die Ausgangssituationen der Spieler sollten gleich oder zumindest gleichwertig sein.
  • Im Spiel spielt normalerweise ein Team (bzw. Spieler) gegen ein anderes (statt FFA)

Hinzu kommt natürlich der wesentliche Faktor der Beliebtheit: bekannte Spiele haben mehr interessierte Mitspieler, Zuschauer, Geld für Design, Sponsoren, etc.

Keiner dieser Faktoren ist allein ausschlaggebend. Mehr noch, wenn ich beobachte, welche Spiele im Turnierstil gespielt werden, erfüllen diese häufig alle oder fast alle dieser Kriterien. Fußball beispielsweise verletzt nur den Determinismus und diesen nur schwach. StarCraft, Go und Schach erfüllen alle Kriterien.

Erfüllt ein Spiel mehrere der Kriterien nicht, und wird es trotzdem auf Turnieren gespielt, so wird es erfahrungsgemäß modifiziert, um sie zu erfüllen. Skat zB erfüllt die Anforderungen von Determinismus und Symmetrie nicht. Auf Turnieren spielt man extrem viele Spiele in schneller Abfolge, um die unterschiedlichen Positionen der Spieler statistisch wegzumitteln. MTG erfüllt die Bedingungen von festen Spielregeln, dem Vermeiden von sturem Lernen und der Asymmetrie nicht, entsprechend werden für Turniere vorher viele Karten und ganze Editionen verboten; die Kontrahenten decken sich mit vielen guten und teueren Karten ein und sind trotzdem schon fast Datenbanken für Wissen über willkürliche Details des Spiels. Trotz all diesen Anpassungen gibt es nur wenig solche MTG-Turnierspieler, fast jeder Magicspieler spielt das Spiel nur ab und zu und ohne viel Aufwand.

Folglich erscheinen mir obige Kriterien als relativ aussagekräftig. Bleibt die immerwährende Frage: wie maximiert man die Anzahl an Spielelementen und deren Orthogonalität/Kombinierbarkeit, ohne die Turnierfähigkeit zu verlieren? Ich muss meinen Fehler zugeben, dass selbst viele Elemente bei eingeschränkter Kombinierbarkeit oder sonstigen geeigneten Einschränkungen ihrer Funktionen den Irrsinn des Ergebnisses in Grenzen halten (wie bei Clonk, dem Thema unserer gestrigen Diskussion). Allerdings verbaut man sich mit solchen Designentscheidungen sehr schnell die Möglichkeit, Spielelemente hinzuzufügen, die die Bedeutung von vielen anderen Ändern oder mit ihnen wechselwirken – das Ergebnis wäre nicht mehr zu handhaben, insbesondere das Erscheinen von einer Unmenge schlechter oder einiger viel zu starker Handlungsoptionen nicht auszuschließen. Dann bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera – unkontrollierbares Balancing oder sich ähnelnde Spiele nach ausreichendem Austesten des Spiels durch ein paar Fanatiker.

Nachtrag ab hier
Insbesondere setzt ein willkürliches Design mit vielen nicht ausreichend aufeinander abgestimmten Spielelementen eine Obergrenze für die Vielfalt an taktischen Möglichkeiten. Entsteht beispielsweise ein Rush, dessen Vorbereitungszeit stark unter der sonstiger Rushes steht, so nimmt dieser eine ungewollte Sonderrolle ein und stellt viele andere Möglichkeiten in den Schatten.

Damit ihr mich nicht falsch versteht, möchte ich noch einmal deutlich machen, dass ich persönlich Turnierspiele kaum bevorzuge, sondern nur auf andere Weise spiele. Natürlich habe ich einen höheren Respekt vor den Designern von StarCraft, die schier unglaubliche asymmetrische und dennoch faire Strukturen erschaffen und dabei praktisch keine unnötige Komplexität in Kauf nehmen, als vor den Erschaffern von MTG oder Clonk, die einfach nur zufällige Elemente ineinanderbuttern und mal gucken, was passiert. Dennoch habe ich in letzter Zeit mehr Clonk als SC gespielt, und die Faszination bei der Betrachtung von Magic-Karten sitzt so tief, dass sogar das kommende Computerspiel Battleforge einen Kultbonus für seine virtuellen Karten im Magic-Stil bei mir bekommt.

Ich hätte gerne ein Computerspiel, das die Vorteile beider Methoden so gut es geht vereint. Die liebevolle Verspieltheit und Unberechenbarkeit der chaotischen Spiele und die messerscharfe Logik der Turnierspiele, die keinen Pixel und keine Nachkommastelle fehlerhafter Balance erlauben, kann man sie irgendwie in ein Spiel vereinen? Ich bräuchte eine Methodik, die verhindert, dass die Chaoselemente die anderen ruinieren.

Ich habe dazu einige Ideen, die ich beabsichtige umzusetzen. Man könnte die chaotischen Elemente natürlich abschaltbar machen, aber das ist irgendwie ein billiger Ausweg. Besser finde ich, sie auf niedrige Effizienz oder sehr hohe Technologielevel zu verbannen, wo sie aufgrund der hohen Geschwindigkeit und Anforderungen in Turnierspielen keine Verwendung finden. Supreme Commander: Forged Alliance verbannt beispielsweise seine Supereinheiten, indem es sie nahezu unbezahlbar macht. (Deren völlig hirnrissige Einheiten wie das unendlich-Geld-Gebäude finde ich allerdings auch wieder stillos, sie ruinieren das Spiel eher bei Fertigstellung als sie es verbessern.)

Kritik, Ergänzungen und Theorien sind sehr erwünscht, auch Ergänzungen und Verbesserungen zur Liste der Eigenschaften, die Spiele attraktiv für Turniere machen. Und ganz besonders alle Meinungen, die auf Echtzeitstrategiespiele anwendbar sind! ;)

2 Antworten auf „Turnierqualität von Spielen“

Erstens finde ich nicht, dass Go oder Schach 100% turnierfähig sind – meiner Meinung nach ist Turnierfähigkeit nur gegeben, wenn alle Spieler gleichzeitig starten.

Da der Diskussionspunkt ja „Clonk“ war, werde ich im Folgenden auf Clonk beziehend Stellung nehmen.

Feste Spielregeln: Ich glaube, du schätzt Clonk da etwas falsch ein. Wir haben mit dir ja immer nur Fun-Runden gespielt, von daher beliebige Packs und deren Regeln wild kombiniert. Imo nimmt aber die schiere Möglichkeit, wild zu kombinieren, nicht dem gesamten Spiel die Turnierfähigkeit, sondern nur dem einzelnen Spiel. Im Grunde gibt es in Clonks ja nur drei Regeln, die das Spiel wirklich beeinflussen: Baukosten, Stromkosten, und Flagge abnehmbar. Diese sind während des Spiels nicht änderbar, erfüllen also das Kriterium.

Ausreichend viel Determinismus: Ich finde nicht, dass das beeinflusst, ob ein Spiel Turnierfähig ist oder nicht. In Clonk wären das vielleicht Erdbeben, Vulkane und Meteore. Alles Sachen, die du deaktivieren kannst, und damit ist kein Zufallsfaktor mehr drinnen.

Genügend Komplexität, um jedes Spiel einzigartig zu machen… nun, da ist Clonk wohl Meister.

Viel Interaktion zwischen den Kontrahenten: Das ist doch Clonk’s Stärke! Man muss frühzeitig erkennen, was der Gegner vor hat, um darauf zu reagieren. Tunnel graben, sich an die Burgunterseite hängen und sprengen… Geldbeschaffung läuft meist temporär im Hintergrund, bzw bei Mannschaften kümmert sich einer um die Offensive und ein anderer um die Defensive+Versorgung.

Keine Beschränkung auf stures Trainieren/Lernen: Sobald ein gewisses Grundspielkönnen da ist (und das ist bei _jedem_ Spiel erforderlich) hängt es nur noch von deiner Gewitztheit und Schnelligkeit ab, ob du gewinnst oder nicht.

keine Asymmetrie: Naja, das kann man ja extrem einfach einstellen.

@Letzter Punkt: Auch gegeben.

Du findest Clonk chaotisch – das liegt aber nur daran, dass man so viele Objektpacks hinzufügen kann, wie man will. Im Basisclonk beispielsweise gibt es nur drei Grundbaumaterialien: Stein, weil man das abbauen muss; Holz, weil das nur an der Oberfläche wächst; und Metall, was man weder abbauen kann noch abholzen kann, sondern aus verschiedenen Komponenten herstellen muss.
Und ehrlich gesagt: Gute Packs sind meiner Meinung nach selbsterklärend.

Die Ausgangsposition in Go ist zwar nicht gleich, aber dank Komi ausreichend gleichwertig. Wenn eine Seite einen Vorteil hat, weiß ich nicht welche, und dieser ist wirklich gering. Zur Eigenschaft „Turnierqualität“: ich meine einfach nur alles, das Menschen dazu bewegt bzw. davon abhält, Spiele im Turnierstil zu spielen. Frei nach dem Motto „das Ergebnis zählt“, nur suche ich die abstrakteren Kriterien, die dazu führen. Go wird wohl zu 99% im Turnierstil gespielt, Clonk wohl zu 99% im Fun-Stil, wenn ich dieses Wort erfinden darf.

Ich weiß nicht, ob es wirklich sinnvoll ist, sich über Clonk zu streiten, es gehört ja auch einiges an persönlicher Sicht dazu, ob man ein Spiel gerne im Turnierstil spielen möchte.

Für mich erfüllt Clonk die festen Spielregeln, die möglichst große Interaktion zwischen den Spielern und die Begrenzung der notwendigen Menge an Erlernen von Spielbesonderheiten nicht genügend. Klar kann man einen Satz Turnierregeln festlegen, aber dann verliert Clonk seine wichtigste und auch beste Fähigkeit, die Modifizierbarkeit. Wählt man nur die zentral ausbalancierten Packs, so degeneriert das Spiel zu einem Taktikspielchen mit trägem und unpräzisem Interface, dessen eigentlicher Vorteil, die Flexibilität, überhaupt nicht zum Tragen kommt. Über die Interaktion kann man streiten, aber viele Aktionen wie Flug- und Fahrstuhlsteuerung ohne ordentliche Wegfindung, Basisbau und Ressourcenabbau sind nahezu reines Micro gegenüber der Spielwelt, nicht gegenüber dem Gegner. In Turnierspielen wendet man nur einen winzigen Bruchteil auf solche Aktivitäten an, und ein starker Gegner spürt die Abwesenheit der benötigten Ressourcen oder Aufmerksamkeit. Den dritten Punkt, die ausartenden Spielbesonderheiten, kann man natürlich wieder zu großen Teilen abschalten, aber mit solchen Methoden kann man ein Duell gegen zB StarCraft nie gewinnen – entweder hat man noch wesentlich mehr deplatzierte oder unnötige Spielelemente, oder man streicht so viel, dass das resultierende Kampferlebnis nicht mehr die gewünschte Vielfalt und Dynamik hat. Um von dieser etwas zu retten, vermeidet Clonk problematische Fähigkeiten wie z.B. schnelle Bewegungen und Fernwirkungen und fordert Munition inklusive dem dazugehörigen Micro für viele Attacken, um den Maximalschaden nach oben zu begrenzen. Das sind alles Hilfsmittel, die die Form von taktischen Manövern angleichen, um der Komplexität wieder Herr zu werden.

Was ich schreibe, ist natürlich bekannt – ich versuche nur, deutlich zu machen, wieso man ein Spiel wie SC nicht per Zufall und auch nicht mit mäßigem Aufwand herstellen kann. Wenn ich schätzen darf, dann halte ich es für unwahrscheinlich, dass man einen Satz von unabhängig entstandenen Spielfunktionen aufeinander abstimmen kann ohne dass dabei irgendwelche Teile an Wert, also Vielfalt ihrer Einsatzmöglichkeiten verlieren.

Ich fühle mich immer ein wenig missverstanden, wenn sich die Clonker durch meine Worte angegriffen fühlen. Es ist doch nicht wirklich so, dass Clonk beabsichtigt, in Korea in einer Meisterschaft durchs Fernsehen zu laufen wie Go oder StarCraft, oder? Die Zielsetzung ist völlig anders, da ist es doch nur normal, dass die Bedürfnisse einer vollkommen anderen Zielgruppe nicht so gut erfüllt werden. Wie gesagt, ich finde diese Eigenschaften von Clonk ja nicht einmal schlecht. Ich bin ja der Erste, der in Clonk Koop spielen oder Burgen zimmern will. Es ist lediglich nicht das Spiel meiner Wahl, wenn ich mich unter Ausreizung meiner geistigen Fähigkeiten mit jemandem duellieren möchte.

Meine Absicht ist, die Vor- und Nachteile aller Methoden so genau wie möglich zu analysieren, um aus ihnen zu lernen. Da kann ich über Clonk nicht hinwegsehen, weder über die großartige Vielfalt, noch über die Probleme, die dies mit sich bringt. Mich interessiert es nicht, dass irgendjemand StarCraft als „besser als Clonk“ anerkennt, ich möchte wissen, welche Eigenschaften ein Spiel in einem Kriterium besser machen und welche davon sich vereinigen lassen.

Von daher können wir diesen Thread gerne in einen rein konstruktiven Brainstorming-thread umfunktionieren, der Spielelemente auflistet, die die Turnierfähigkeit nicht einschränken. Zum Beispiel könnte man…

  • … wie in Clonk und WarCraft 3 den Spielern erlauben, vor dem Spiel Modifikationen zu erstellen und zu aktivieren, was man in Turnierspielen dann eben nicht verwendet.
  • … wie in Forged Alliance die verrückten Spielelemente so teuer machen, dass die meisten Turnierspiele enden, bevor diese auftauchen.
  • … alle neuen Spielelemente auf Turniertauglichkeit testen und ggf. in die Turnierelemente aufnehmen.

Überhaupt gefällt mir die Idee, irgendeine Form der zu überwindenden Schwelle einzubauen, die überwunden werden muss, um an die unberechenbaren Fähigkeiten heranzukommen. Das ist dann sogar ein Spielelement in Turnierspielen: wer dem Gegner so viel Vorsprung oder Zeit lässt, dass er diese Schwelle überwindet, muss eben mit den Konsequenzen leben, auch wenn das ein sich replizierendes terraflintwerfendes Teleportvehikel mit Autopilot ist, dass sich sein Gegner wegen einer unbeabsichtigten Ressourcenproduktionsschleife anderer Herkunft leisten kann. :P

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